Mietspiegel: Marktbeobachtung mit Schwachstellen
Mietspiegel sind in aller Munde, seitdem im Mai das Amtsgericht in Berlin-Charlottenburg den Berliner Mietspiegel von 2013 für wissenschaftlich nicht haltbar erklärt hat. „Das Urteil alleine braucht hiesige Mieter und Vermieter aber nicht in Unruhe zu versetzen“, beruhigt der Steinbacher Hausverwalter und Immobilien-Sachverständige Hans-Jürgen Weber. „Die bundesweite Debatte ergibt sich in Zusammenhang mit der Mietpreisbremse, und die gilt vorerst nur in Berlin und bald in Hamburg.“
„Dennoch sollte man sich grundsätzlich mit dem Instrument des Mietspiegels auseinandersetzen“, rät Weber. Mietspiegel entstehen auf der Grundlage einer statistischen Erhebung von Wohnungsmieten, die meist mit Fragebögen bei den Vermietern abgefragt werden. Dazu kommen Faktoren wie Baujahr und Renovierungsstand des Hauses, Mikrolage, Infrastruktur der Umgebung und Wohnungsausstattung. Am Ende stehen Listen mit Quadratmeterpreisen für bestimmte Wohnquartiere und Qualitätsstufen, in die noch weitere, im Mietspiegel vorhandene Faktoren eingerechnet werden. „Nach der reinen Lehre kann man dann als Mieter, Vermieter oder Wohnungsinteressent anhand des Mietspiegel-Werkzeugkastens ein Profil zusammenstellen, das genau einer realen Wohnung passt. Daraus lässt sich ablesen, wie der aktuelle oder verlangte Mietzins im Vergleich zum Gesamtniveau steht“, beschreibt Hans-Jürgen Weber das Vorgehen.
Mathematische Feinheiten
In der Realität haben Mietspiegel aber ihre Tücken. Da wäre zunächst die Erfassung der Daten: Es ist fraglich, wie viele Vermieter Fragebögen zurückschicken und wie groß damit die Stichprobenmenge für einen bestimmten Immobilientyp wird. „Wenn man in einem Stadtteil nur eine Handvoll Objekte im großformatigen Geschosswohnungsbau hat und sich davon nur wenige Vermieter an der Umfrage beteiligen, dann wirken sich Preis-Ausreißer nach unten und oben extrem aus und die Aussagekraft des Mietspiegels ist in diesem Segment begrenzt“, nennt Weber ein Beispiel für die Schwächen des Verfahrens. Überhaupt spielen in die Statistik mathematische Feinheiten herein, die das Ergebnis beeinflussen und für Laien schwer zu durchschauen sind. Solche mathematische Fragen waren auch der Hintergrund für die gerichtliche Ablehnung des Berliner Mietspiegels.
„Außerdem muss man zwischen qualifizierten und nicht qualifizierten Mietspiegeln unterscheiden“, nennt Hans-Jürgen Weber einen weiteren Aspekt. Bei qualifizierten Mietspiegeln sind die Vorgaben für die wissenschaftliche Aufstellung sehr streng. Außerdem werden sie von den örtlichen Mieter- und Vermieterverbänden sowie von der Kommune offiziell bestätigt. Diese „politische“ Komponente soll sicherstellen, dass keine der Parteien benachteiligt wird.
Gutachten als Alternative
Außerhalb von Großstädten sind Mietspiegel insgesamt eine Ausnahmeerscheinung. Nur ein Fünftel der Städte zwischen 20.000 und 50.000 Einwohnern verfügt über einen qualifizierten Mietspiegel, gut die Hälfte von ihnen immerhin über einen einfachen. Bei noch kleineren Gemeinden sind Mietspiegel nahezu unbekannt. „Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass Steinbach und Oberursel ebenso wenig über einen Mietspiegel verfügen wie die Kreisstadt Bad Homburg“, berichtet Hans-Jürgen Weber. Als Alternative können Mieter und Vermieter versuchen, sich anhand von Angebotsanzeigen einen Überblick über das Mietniveau zu machen. Das ist aber mühsam und für Laien fehleranfällig. „Die bessere Variante ist es, sich an Fachleute zu wenden“, sagt Weber. Er selbst ist öffentlich bestellter Gutachter für Immobilien. Damit hat er die nötige Ausbildung und durch seine tägliche Arbeit ausreichend Marktübersicht, um fundiert angemessene Mieten für individuelle Immobilien nennen zu können. Außerdem stehen er und seine Kollegen unter der ständigen Aufsicht der Industrie- und Handelskammer, die ihre Sachkunde überprüft.
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